Interview: DR. MOTTE - HAPPY BIRTHDAY
Happy Birthday Motte, was wünscht du dir für
dein nächstes Lebensjahr, worauf freust du dich?
Hey,
hallo! Und Dankeschön. Was wünsche ich mir für das nächste Lebensjahr? Auf
jeden Fall Gesundheit, denn die ist die Basis für alles weitere. Ich wünsche
mir viel Zeit mit den Menschen die ich liebe und Zeit für das, was ich liebe:
Musik. Mein allererstes Album von 1992, Dr. Motte's Euphorhythm "Chill Out
Planet Earth", habe ich gerade neu mastern lassen und re-released. Der
Sound ist zeitlos und begeistert heute wie damals gleichermaßen. (Erhältlich
auf Bandcamp.com) Es ist ein Privileg nach über dreißig Jahren noch immer
international gebucht zu sein. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Wie und wann kamst du eigentlich einst auf
deinen Namen?
Oh,
auf den bin ich gar nicht gekommen – der ist zu mir gekommen! In den
späten 70ern war ich in einer Spandauer Punk-Clique und dort gab es zwei
Matthias. Man kennt das ja, einer ruft "Matthias" und was passiert?
Richtig, wir sind immer beide angetrabt. Also haben wir alle irgendwann mal
beschlossen, dass Spitznamen her müssen. "Matze" hatte seinen gleich.
Bei mir verstrich eine halbe Stunde, bis plötzlich einer meinte: "Du bist
jetzt Motte."
Der "Dr." wurde mir dann in den 90ern
verliehen, wieder von Freunden. Ich hab damals sehr viel auf After Hours
gespielt, immer stocknüchtern. Trotzdem hab ich alle mit meiner Musik immer
schön auf Reisen geschickt. Eines Tages kamen dann zwei Freunde mit einem
Türschildchen an, auf dem stand: "Dr. Motte, Psych. Abteilung". Und
zack war aus dem "DJ Motte" der "Dr. Motte" geworden. Toll,
oder?
Du giltst als Gründer der Loveparade, wie fing
das eigentlich damals alles mal an und was war rückblickend der Todesstoss für
die schließlich „größte Party der Welt“?
Gründer,
Erfinder und schon seit den ganz frühen 90ern werde ich "Father of Love
Parade" genannt. Auch das hab ich mir nicht ausgedacht, sondern so
eine lustige Partymeute aus der Schweiz. Ist doch echt schön, oder? Auf der
ganzen Welt nennt man mich so, ich finde das toll.
Die Idee zur Loveparade hatte ich im Mai 1989 vor einem Club in
Berlin-Kreuzberg. Viele meiner Freunde waren damals regelmäßig in England zum Feiern
und erzählten dann Geschichten, wie die Polizei dort die Partys gesprengt hat
und die PA beschlagnahmt wurde. Doch statt nach Hause zu gehen, wurde auf den
Straßen vor den Locations zu Musik aus Ghettoblastern weiter getanzt. Ein
nonverbaler Protest und wunderbarer Ausdruck der Technokultur. Ich fand das
absolut faszinierend und überlegte, wie man sowas in Berlin auf die Beine
stellen könnte. Und plötzlich hatte ich die Idee: wir melden eine Demonstration
an!
Alle Freunde, die damals dabei waren, waren sofort Feuer und Flamme. Also
bildeten wir ein Team aus 12 Personen, das dann in nur sechs Wochen alles
geplant und umgesetzt hat. Für eine Demonstration braucht man natürlich auch
ein Thema: "Friede, Freude, Eierkuchen". Symbolisch stand
"Friede" für Abrüstung auf allen Ebenen, "Freude" für die
Musik als Mittel der Verständigung und "Eierkuchen" für die gerechte
Nahrungsmittelverteilung. Am 01.07.1989 startete die erste Loveparade.
Der Anfang vom Ende war, als uns 2001 von ein paar Loveprade-Hassern unser
Demonstrationsdatum weggenommen wurde. Es gab leider keinen Support von der
Berliner Politik, die mit uns erst gar nicht kommunizierte und später noch meinte
"wer zuerst kommt malt zuerst". Dann stehste da. So eine Situation
war neu, du denkst falsch, klagst auf dein Recht, verlierst vor Gericht bis in
oberster Instanz, kriegst dann noch den Demonstrationsstatus aberkannt, weil
angeblich "die politischen Inhalte" gefehlt haben und plötzlich musst
für alle entstandenen Kosten selbst aufkommen. Innerhalb von zwei Jahren waren
schließlich alle Rücklagen aufgebraucht und die Loveparade Berlin GmbH stand
vor der Insolvenz. Von fünf Gesellschaftern stimmten vier für den Verkauf der
Marke, ich nicht. Der Rest ist traurige Technogeschichte.
Aber politisch aktiv bist du stets geblieben
und mischst gerne mit, wenn dir was missfällt, was brennt dir aktuell unter den
Nägeln?
Politisch
interessiert bin ich auf vielen Ebenen. Was für mich als Berliner Künstler natürlich
von besonderem Interesse ist, ist wie es um die Berliner Clubs und Clubkultur
bestellt ist. Ich wünsche mir einen ernstzunehmenden, gesetzlichen
Bestandschutz, damit die Clubs nicht den Neubauten der Investoren zum Opfer
fallen, wie es z. B. auf dem RAW Gelände geplant ist. Momentan bin ich selbst
allerdings nicht ganz so aktiv, eher sogar ein bisschen zurückgezogen und
betrübt. Ich habe das Gefühl, dass überall, wo man hinsieht, die Menschlichkeit
verloren geht. Ob das nun auf politischer Ebene ist oder direkt vor meiner
Haustür, wenn ich sehe, wie Menschen direkt miteinander umgehen. Der Rechtsruck
in ganz Europa geht mir so richtig auf den Sack. Hat denn keiner aus der
Vergangenheit gelernt? Ich versteh das nicht…
Was erwartet uns in diesem Jahr zu deiner
traditionellen PRAXXIZ-Party am 9. Juli im Suicide?
Wie
es sich für eine schöne Geburtstagsfeier gehört, habe ich dieses Jahr wieder
viele tolle Freunde eingeladen, auf die ich mich sehr freue. Mein lieber,
langjähriger Freund Toby Izui aus Japan wird mit dabei sein, das freut mich
ganz besonders, weil wir uns wirklich seit X Jahren nicht mehr gesehen haben.
Da darf dann natürlich auch Mijk van Dijk nicht fehlen, denn auch ihn verbindet
eine lange Freundschaft mit Toby.
Der Housemeister stand auch schon lange auf
meiner Geburtstagswunschliste, weil er ein grandioser Künstler ist. Und da ich
auf echte Supertalente stehe, hab ich außerdem noch Frau Silberfischer
eingeladen. Sie ist ein noch unentdecktes Talent, eine echte Berliner Pflanze,
mit Esprit und musikalischem Tiefgang. Eine Geburtstagsfeier ohne Gabriel Le
Mar ist undenkbar, deshalb ist er dieses Jahr selbstverständlich auch wieder
mit dabei. Ebenso wie Luke Sun, den der ein oder andere von der MOVE im
Tanzhaus West in Frankfurt a. M. kennt. Ich selbst werde wieder ein
sechsstündiges Abschlussset auf dem Open Air Floor spielen. Summing it up:
geiler Sound, das erwartet Euch. :-)
Und ich glaube meine Süße führt irgendwas mit
der Deko im Schilde. Keine Ahnung was sie vorhat. Ich soll nicht so neugierig
sein und mich überraschen lassen, meint sie… Ich bin total gespannt. Bis bald
& liebe Grüße, Euer Dr. Motte :-)
Danke für das sehr
interessante Gespräch, alles Gute und eine megaschöne Geburtstagssause!