NIC KNATTERTON
Vor 28 Jahren begann Nic Knatterton seiner Leidenschaft der Musik nachzugehen und das seit jeher in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Am 28.6.2019 veröffentlicht der Rapper sein erstes Solo-Projekt „Schnitzereien auf einer Parkbank“.
Okay, wer ist Nic Knatterton? Wofür stehst Du im musikalischen Sinne?
„Als Nic Knatterton steht meine Musik für eine
Bandbreite irgendwo zwischen selbstreflexiver Introspektion und einer
nicht immer einfachen Ambivalenz zwischen Philanthropie und
subversiver Systemkritik.“
Die Comicfigur Nick Knatterton ist dein Alias. Was siehst Du in ihm und wie kam es zu dieser Namensgebung?
„Da ich in Wirklichkeit Dominik heiße und schon seit langem häufig Nic genannt werde, lag der „Vorname“ sozusagen schon auf der Hand. In meiner Kindheit nannte meine Tante mich oft Nic Knatterton. Ehrlich gesagt wusste ich damals aber gar nicht so genau, wer das sein sollte. Als ich dann angefangen habe Musik zu machen, da war ich elf Jahre alt, habe ich diesen Künstlernamen gewählt. Und auch, weil ich früher meistens sehr schnell, also mit einem knatternden Ton gerappt habe. Es ist also gewissermaßen mein Karma, dass ich diesen Namen trage.“
Was macht für Dich politischer Rap aus? Was ist dein Antrieb dahinter?
„Bei politischem Rap muss ich immer gleich an „whacke Musik“ denken. Ich dachte eigentlich, von diesem Etikett hätte ich mich schon vor zwölf Jahren mit durch den Song „Schluss mit Zecken Rap“, den ich damals mit Koljah aufgenommen habe, befreit. :)
Meinem Empfinden nach macht es auf jeden Fall wenig Sinn, ein Lied ausschließlich wegen der politischen Message zu recorden. Da würde für mich die Musik zu sehr drunter leiden. Was natürlich nicht heißt, dass ich das nicht auch in düsterer Vergangenheit oft genug so gehandhabt habe. Wenn ich jetzt aber einen Song höre, der mich musikalisch packt und bei dem trotzdem eine klare politische Haltung herauszuhören ist, dann ist das natürlich großes Kino!“
Du machst seit 1991 Rap Musik. 1991 rappten die Fantastischen Vier auf deutsch. Was war dein Ansatz?
„Ich mache wie gesagt sogar schon seit 1991 Musik. Es hat allerdings dann eben noch weitere sieben Jahre gedauert, bis das Ganze halbwegs albumreif war. Als ich angefangen habe mit der Mucke, waren Fanta Vier eher unsere Feindbilder. Die Haltung in unserem jugendlichen Leichtsinn damals war, dass jeder, der mit Musik Geld verdient, „sell out“ sein muss. Ich habe mich damals eher an Advanced Chemistry, Fresh Family und Co orientiert. Mein Ansatz ganz zu Beginn war vermutlich meine präadoleszente Identitätssuche.“
7 Jahre nach „Nic`s Neues“ kommt jetzt mit „Schnitzereien auf einer Parkbank“ Nic Knatterton wieder solo zurück. Deine Erzählweise ist sehr präzise und tiefgründig. Die heutige Rap-Landschaft ist geprägt von Gangsta Rap oder Cloud Rap, was sehr erfolgreich macht. Wie siehst Du die Entwicklung und wo ist dein Platz?
„Nun, der Albumtitel Nic’s Neues scheint hier irreführend zu sein. Auch dies war ein Gemeinschaftsprojekt von meiner großartigen Frau Johanna und mir. Im vergangenen Jahr habe ich das Mixtape „Wie die Dinge so sind“ veröffentlicht. Das war zwar ein Soloprojekt, aber eher ein Sammelsurium an Tracks der letzten Jahre und kein in sich kohärentes Album. Deshalb ist „Schnitzereien auf einer Parkbank“ nach 28 Jahren Musik sozusagen mein Solodebüt. :)
Seitdem ich mich in der Hip-Hop Szene bewege gab es immer irgendwelche Hypes und Trends, an denen sich der Großteil der Künstler orientiert hat. Damals zum Beispiel diese Dipset-Zeit und aktuell dieses Trap Zeug. Ist im Großen und Ganzen alles nicht wirklich meins, wobei es bestimmt trotzdem durchaus seine Daseinsberechtigung hat. Und Leute wie LGoony oder auch Fatoni machen ihre Sache da doch schon ganz gut. Ich befinde mich in dieser ganzen Szene gewissermaßen in einer Art Luxusposition. Ich brauche nicht jedem Hype zu folgen, da ich mein Geld nicht damit verdienen muss. Daher zum Beispiel auch der Song „keine Zeit für die Hypes“ vom aktuellen Album. Ich kann also einfach die Musik machen, die ich mir selber gerne von mir anhöre. Wenn es außer mir selbst sonst noch einem gefällt, freue ich mich natürlich darüber!“
Der erste Track „Helfersyndrom“ hat diesen Refrain „Helfen aus Selbstsucht. Helfersyndrom“. Dein Beruf ist Kinder- und Jugendpsychotherapeut. Steht das eine mit dem anderen im Zusammenhang?
„Da ich mich tagein tagaus damit auseinandersetze, nützlich für andere Menschen zu sein, steht der Song sicherlich im Zusammenhang mit meinem Beruf. Irgendwie ist es ja auch als eine Fortsetzung von „Sozialarbeiter im Sonnenschein“ zu verstehen. Ich befinde mich ja gewissermaßen im Spagat zwischen einer Szene, die sich überwiegend mit Ego-Stärkung, Machtgehabe und Konkurrenz auseinandersetzt, sowie einem helfenden Beruf, wo es um Mitgefühl und Verbindung geht. Da stellt sich die Frage, ob wir anderen Menschen vielleicht doch nur aus Eigennutz helfen, ja eigentlich schon von selbst. Zumindest scheint hier eine kontinuierliche Selbstreflektion sinnvoll zu sein.“
Das Video zur Single “Als ob Modus“ zeigt schon bildlich „Einfach so zu tun als ob...“ . Welche gesellschaftliche Attitüde prangerst Du genau an?
„Ursprünglich sollte es in dem Song um Vergänglichkeit gehen. Um Vergänglichkeit und den arglosen Umgang von uns Menschen mit Egozentrik und Hedonismus. In Verbindung mit dem Video habe ich allerdings auch das Gefühl, dass es zwischen den Zeilen auch um eine Art Kapitalismuskritik zu gehen scheint. Dieses große Thema, das die Verantwortung für weltliches Leid vom System auf die Individuen abgewälzt wird. Wir Individuen identifizieren uns dann schnell damit und haben das Gefühl zum Beispiel durch den Verzicht auf Plastiktüten oder ähnliches die Welt retten zu können. So sage ich ja auch in dem Song „ich wasch meine Hände in Unschuld - ich ess‘ kein Dönerfleisch“. Dabei liegt die Problematik des Ganzen vermutlich eher im kapitalistischen System selbst, als auf irgendwelchen Individualebenen.“
Der Album Titel „Schnitzereien auf der Parkbank“ beschäftigt sich mit Vergangenem, mit dem „Damals“. Man kann das kollektive „Früher war alles besser“ aus dem Track raus hören. Welchen Tipp hast Du an uns, um sich besser auf „Das Hier und Jetzt“ zu konzentrieren?
„Ich weiß gar nicht, ob es hier tatsächlich um „früher war alles besser“ geht. Was du da in den ersten zwei Strophen raushörst, ist ja eher ein infantiler Regressionswunsch, wieder in den geschützten Mutterleib zurückkriechen zu können. Insbesondere in der letzten Strophe wird ja deutlich, dass es durch den Tod der zwei Geschwister von mir durchaus nicht alles nur rosig war damals. Ganz zum Schluss werfe ich dann noch die Frage auf, ob ich nicht diese ganzen Erinnerungen nur mitteile, um etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Da der Song auf einem öffentlichen Album erscheint, ist diese Frage natürlich durchaus legitim. Um achtsam im Hier und Jetzt zu verweilen und darüber hinaus noch tagtäglich für andere Menschen nützlich sein zu können, praktiziere ich seit vielen Jahren täglich buddhistische Meditation. Des Weiteren tun auch Johannas und meine gemeinsamen fünf Kinder ihr Übriges dazu, unseren Geist ständig im Hier und Jetzt zu halten.“
Hochphilosophische Fragen und Ansichten folgen in den Tracks „Auf Honigsüß folgt Bittergall“, „Hörst du die Stille“ und „Carpe Momentum“. Dein „Kopf macht Kamikaze“ … wie findest Du Ruhe und Ausgeglichenheit? Wie wichtig sind dir zwischenmenschliche Gespräche?
„Ja, dieses Songs sind sozusagen die Fortführung der letzten Veröffentlichungen. Ich habe mich in den vergangenen Jahren sehr viel mit Buddhismus und Meditation auseinandergesetzt, was natürlich auch Einfluss in meine Musik gefunden hat. Auf diesem Album habe ich allerdings eine allgemein verständliche Sprache gewählt, statt mich überwiegend in buddhistischen Termini zu bewegen. Und die Ruhe und Ausgeglichenheit, um halbwegs gesund durch diesen doch recht stressigen Alltag zu kommen, finde ich eben in der Meditation. Da ich durch zwischenmenschliche Gespräche ja gewissermaßen mein Geld verdiene, sind mir diese natürlich sehr wichtig. Aber auch im privaten Bereich liebe ich es, mich durch Gespräche in Beziehungen zu vertiefen. Wogegen ich allerdings eine ziemliche Aversion hege, ist oberflächlicher Smalltalk. Das ist irgendwie so gar nicht meins.“
Das Album „Schnitzereien auf einer Parkbank“ ist ab heute auf allen digitalen Download- und Streamingplattformen erhältlich.
Interview: Jane Kutsche (JK)