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DJ JAUCHE - DREI DEKADEN BERLINER HOUSE KULTUR

// INTERVIEW

 

DJ JAUCHE

 

Seit unglaublichen 35 Jahren ist der Berliner Oliver Marquard als DJ aktiv, 30 davon als House-DJ. Im Mai ist der Bruder von Türsteher und Künstler Sven Marquardt erstmals im Bordel Des Arts zu erleben. Die Gelegenheit, ihn als Zeitzeugen und als einen der ersten DJs der Stadt zu Wort kommen zu lassen, wie einst alles begann und mit seiner Sicht auf die Dinge.

 

Hey Oliver, schön dich endlich mal wieder zu treffen, Du gehörst ja nun wirklich zu den House Urgesteinen hier in der Stadt, weisst du noch wie und wo das damals alles anfing?

 

Auf Berlin bezogen fing damals alles in einer Stadt an, in der Menschen innerhalb unterschiedlicher Gesellschaftssysteme lebten. Das war grundsätzlich schon eine durchaus obskure Situation. Im Westen wie auch im Osten gab es junge Menschen, die sich für neuartige Musik interessierten. Nach Möglichkeiten suchten, sich auszuleben, sich zu entdecken, alte Strukturen aufzubrechen und etwas Neues zu erschaffen.

Für uns Kids im Osten war das zudem auch Ausdruck, uns gegen die staatlich auferlegten Jugendkulturstrukturen aufzulehnen. Für einige von uns war das ganz einfach die aus den USA kommende Rap culture. Breakdance, Skateboards, Graffiti, Rap, die gesamte Breite der Hip Hop Kultur half uns dabei uns abzugrenzen. 1983-1984 waren die Jahre in denen sich das Ganze zu entwickeln anfing. Wir tanzen auf dem Alexanderplatz bis uns die Vopos vertrieben, andere hatten Skateboards und oft sah man sich abends in den Jugend-Discos und tanzte dort weiter.

Wenige Jahre später veränderte sich die Musik, wurde elektronischer. Da kam so komisches Zeug aus England. Aus Samples zusammengeschnipselte Dancemusic war zu hören. Es gab Hip House, Acid House und das ganze Ravezeug aus UK. Im Radio hörte ich von Warehouseparties in London, zu dieser Zeit war mir schon klar, dass ich Dj werden wollte und London schien mir ein gutes Ziel um die damalige DDR zu verlassen.

Allerdings brach dann relativ unerwartet die Mauer in sich zusammen und für uns Menschen aus dem damaligen Osten, veränderte sich einfach alles und für mich schon nach ein paar weiteren Tagen. Ich hatte mir nach knapp einer Woche meine ersten Turntables gekauft und war von nun an in der monotonen Dauerschleife des Mixen-übens gefangen.

Hatte ich im Osten noch versucht mit Riemen getriebenen „Rft“ Plattenspielern, in Discos und Jugendclubs irgendwie Hip Hop, Acidhouse und Hip House zusammen zu mixen, was mit diesen Dingern eigentlich völlig absurd war, so bemerkte ich nun, was es bedeutete mit Plattenspielern mixen zu können, die dafür gemacht wurden. Ein Traum.. 

Dazu kam dann auch diese neue, krachige und schräge Musik: Techno zog uns musikalisch aus unserem alten Leben und gab dem ganzen einen mitreissenden Soundtrack. Da gab es das UFO, den Tresor, den Planet und den Walfisch, in dem damals die eigentlichen After Hour Club Veranstaltungen geboren wurden. Überwiegend gab es überall kleine illegale Parties. Ich erinnere mich, dass ich 1990 erste kleine Parties und 1991meinen ersten Rave gemacht habe. Das hiess Boxen schleppen, Licht installieren, Laser anmieten... und morgens dann die Location wieder möglichst sauber verlassen und alles abbauen. Und wenn du nach so einer Nacht morgens eine 15 kW Soundanlage abbauen und transportieren musst, fällst du danach todesgleich ins Koma. Bei der dritten Party hatten wir schon 700 Gäste und konnten danach kaum noch stehen. Haha. Ebenfalls 1991 begann ich regelmässig in Magdeburg aufzulegen und relativ schnell war ich oft am Wochenende irgendwo ausserhalb Berlins und bespielte Bunker, leerstehende Fabriken oder einfach nur kleine Kellerlöcher mit Boxen, Stroboskope und Nebelmaschinen als Ausstattung.

 

Du bist bekennender Vinyl-Lover, mittlerweile gehörst du damit zu einer wieder wachsenden Community von DJs, wieviele Platten hast du mittlerweile, wo findest du Neuzugänge und bereust du es manchmal beim „Schleppen“?

 

Vinyl ist zwar irgendwie wieder angesagt, aber mehr als Sammelobjekt. Soweit ich weiss, wurden letztes Jahr weltweit um die 150 Millionen Vinyls gepresst. Das klingt beeindruckend viel, schlägt sich jedoch nur zum geringen Teil auf die Klubs nieder. Über das Schleppen ärgere ich mich nahezu nie. Es ist morgens manchmal durchaus anstrengend, aber kein Grund zum Ärgern. Oftmals bin ich der einzige Dj, der mit Vinyl auflegt, nach meinem Set werden die Turntables nicht selten einfach abgebaut. Sehr oft erlebe ich, dass die Personen, die nach mir kommen nicht in der Lage sind, ihre vom Usb Stick abgespielte Musik, an die von mir zuletzt gespielte Platte anzugleichen.

Gerne wird der Break dann genutzt, die Leute klatschen zu lassen... da bin ich allerdings meist gar nicht mehr auf der Bühne.

Musikalisch sowie auch handwerklich habe ich in den letzten 10-12 Jahren immer wieder bemerken können, dass einige Darbietenden unfähig sind. Ich glaube sogar, dass 80-90 % derer, die sich da öffentlich hinstellen, dies eigentlich sein lassen sollten. Letztendlich entwickeln wir Menschen immer mehr Dinge, suchen Wege, um im Prinzip fauler sein zu können. Das ist nicht unbedingt immer von Vorteil. Dadurch verlernen wir oftmals auch viele Dinge. Wie bei allem im Leben geht es hierbei auch um das Gleichgewicht. Wir befinden uns allerdings in einer sehr egozentrischen Szenerie, hier zählt mehr was man erzählt, als das was man wirklich getan hat. Die elektronische Musik und Klubwelt ist letztendlich nur noch eine Maschinerie zum Geld umsetzen. Das was einen guten Dj ausmacht, beherrscht heutzutage kaum noch jemand, ganz abgesehen vom oftmals recht eingegrenztem musikalischem Hintergrundwissen und diese Leute, die da auf Festivals für 90 min stehen und winken und hüpfen, sind für mich keine Djs mehr im eigentlichen Sinne. Dass es inzwischen das ganze Jahr über Festivals gibt ist völlig absurd und gerade hieran kann man sehen, welch Ausverkauf stattfindet. Ich will damit niemanden beleidigen oder mir etwas heraus nehmen, das stünde mir nicht zu, es ist vielmehr so, dass wir Menschen im Nachtleben ein Spiegelbild der Gesellschaft abliefern und ich muss sagen, da bieten wir inzwischen selten ein gutes.

So viele Platten habe ich letztendlich  garnicht, ich verkaufe auch regelmässig Sachen, die mir nicht mehr als gut erscheinen. vielleicht 6000 Vinyls würde ich schätzen. Es waren mal locker doppelt so viele. Neue Musik finde ich teilweise übers Netz und ich renne jede Woche in 2-3 Plattenläden, schon allein wegen der sozialen Komponente.

 

Wie hat sich dein Sound über die letzten 20 Jahre entwickelt und gibt es Meilensteine, die dich dabei beeinflussten?

 

Die Frage sollte wohl eher die letzten 30 Jahre betreffen. Haha. Dieses Jahr lege ich seit 30 Jahren elektronische Musik auf. Die Jahre vorher zähle ich nicht wirklich mit, sonst könnte ich sagen, ich bin seit 35 Jahren Dj... was so nicht wirklich stimmen würde.

Früher habe ich so querbeet aufgelegt, da gab es Techno, House, Trance, Breakbeats.. alles zusammen mit etwas Disco, New Beat und auch einem Hauch Italo Disco. Das war sicherlich nicht immer cool, aber ich war immer recht gut darin, den Leuten eine erfüllende musikalische Reise zu bereiten. Über die Jahre hat sich letztendlich immer mehr die House Music als Haupt und Mittelpunkt meiner Sets herausgebildet und mit ihr bin ich als Dj gewachsen. Inzwischen gibt es so viel belanglose und gleichgeschaltete elektronische Musik, dass ich mehr und mehr darauf bedacht bin, Musik (auch wenn es nur Musik zum Tanzen ist) mit Tiefe und Nachhaltigkeit zu spielen und bloss kein zu verkopftes Zeug. Wir tanzen letztendlich nur!

Meilensteine möchte ich gar nicht nennen, da mich so viele Dinge beeinflussen. Die wenigsten Einflüsse kommen dabei aus nur einer Richtung.

 

Kennst du noch DJ Kollegen von damals, die wie du heute noch am Puls der Zeit sind?

 

Es ist wirklich sehr freundlich mir zuzusprechen am Puls der Zeit zu sein. Ich selbst nehme dies nicht so wahr und um ehrlich zu bleiben, mich interessiert der Puls der Zeit gar nicht und hat es noch nie. Ich bin privat, sowie musikalisch noch nie einem Trend gefolgt. Im Gegenteil habe ich oft erlebt, dass ich vor dem Trend lag oder nah dran und dann an der nächstmöglichen Kreuzung lieber einen anderen Weg genommen habe. Ich versuche lediglich das was aus mir heraus kommt umzusetzen, ob als Dj oder beim Produzieren, das hat für mich mehr Bedeutung, als die Möglichkeit auf Ruhm oder Bewunderung. Mir geht es essenziell darum meiner Berufung nachzugehen.

Ich schaue selten auf das Aussen um mich herum, auf andere Kollegen oder was gerade In ist.

Ich glaube Ellen (the Alien) ist immer noch nah am Puls. Meine alten Buddies Dole & Kom schlagen sich auch tapfer, soweit ich das mitbekomme. Woody steht seinen Mann und Clé ist auch immer noch recht umtriebig. Andere sind glücklich mit ihrem Familienleben am Puls der Zeit.

 

Wie hast du es geschafft, nie den Spass am Ganzen zu verlieren und gibt es gerade etwas Spannendes in der Pipeline?


An einer Sache, die man liebt, sie gern macht und sich dabei erfüllt bzw. auch ausgefüllt fühlt, den Spaß zu verlieren, ist nahezu unmöglich. Zudem nehme ich all das und auch mich nur begrenzt ernst. Ich bin sehr dankbar und mit einem gewissen Glück beschenkt, dies überhaupt zu haben.

Mir bereitet es ganz einfach Freude, anderen Menschen eine gute Zeit ermöglichen zu können. Musik ist ein wunderbares Medium um dies zu tun. Ich habe gerade wieder eine Nacht lang allein aufgelegt und es kamen ca. 150 Leute, die die ganze Nacht tanzten, tranken, zusammen gelacht haben, kommunizierten und morgens mit einem Strahlen heimgingen. Ich war nach 7-8 Stunden Auflegen natürlich komplett durch aber innerlich zufrieden mit der durchlebten Nacht. Dabei bin ich eigentlich gar nicht anwesend oder Teil der Party, für mich ist das mehr wie innerhalb der Musik zu meditieren. Klingt ein bisschen esoterisch, ich weiss. Aber mehr als Schwingungen oder Energien um mich herum nehme ich dann nicht wirklich wahr und selbst 8 Stunden Schallplatten auflegen fühlen sich danach an wie das Blitzlicht einer Fotokamera. Spass und Glück liegen nun einmal im Moment.

Mich wird man nicht dabei sehen, wie ich minutenlang keinen Sound aus meinem Rechner bekomme (schon allein weil ich natürlich Schallplatten benutze), weil ich zu drüber bin und ich werde vermutlich auch nicht beim Auflegen umkippen, weil das Keta gerade durchdonnert. Personen, die sich so verhalten, sind eher im Club um sich selbst zu feiern und nicht um eine gute Performance abzugeben für die Leute die Eintritt bezahlt haben.

Etwas Spannendes in der Pipeline, hmm. Ich arbeite an einem neuen Album, das ich zum Herbst hin veröffentlichen werde. Ich release Sachen auf meinem Vinyllabel, habe gerade Remixe für ein englisches Label beendet und werde demnächst wieder in London und Newcastle ein paar Schallplatten abspielen. Das ist nicht grundlegend spannend, aber für mein Universum reicht es. Demnächst kommt noch ein neues Release mit einem Remix von „Atjazz“, darauf freue ich mich sehr.

 

Vielen Dank und bis 16. Mai im „Bordel“.

 

soundcloud.com/dj-jauche