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I’M UGLY

Morris Stegink, Christian Schorschinski und René Bourgeois suchen den Kontrast!


Techno und House waren in ihren Ursprüngen einst vor allem eine Reduktion von Disco und damaliger Pop-Musik. Es war dreckiger, grober und verrückter als das, was der damalige Mainstream so hervorbrachte. Jetzt, da Clubmusik selbst zu einer Art Popmusik geworden ist, machen sich erneut einige auf, den Kontrast zu suchen. Keine schön angepassten Sounds und Artworks sollen es sein, stattdessen lieber schön ugly! Morris Stegink, Christian Schorschinski und René Bourgeois starten das neue Jahr mit ihrem frisch gegründeten Label „I’m Ugly“ und eben dieser Mission, in Bild und Ton.

Optisches und Akustisches gehen bei euch Hand in Hand: handverlesene Musik und handgemalte Artworks. Wie kam es zu dieser Kooperation der Künste und wie konntet ihr Christian "Lake" Wahle als Zeichner gewinnen?
 
René: Lake lernte ich vor Jahren schon über einen befreundeten Kamera-Kollegen kennen und wenig später malte er eine fabelhafte Waldlandschaft in das Kinderzimmer meiner Jungs. Ich war fasziniert von seiner Kreativität und vermittelte ihn darauf hin zu meinen Freund Sascha Braemer, der ihm dann das berühmte "People"-Video kreierte. Über die Jahre verbindet uns nun dieses künstlerische Band und so war es für mich die logische Konsequenz, ihn als Artdirektor in unseren Team zu integrieren. Er fand die Idee sofort cool und hatte nur eine Bedingung: Er möchte die Künstler auf seine ganz eigene Art entstellen. Nicht als Karikatur, sondern eher "interessant hässlich" - eben ein Hingucker. Kein anderer hätte das so genial umgesetzt. Auch die Logo´s sind alle handmade by Lake.

LAKE - by Emi Maria Bohacek

Man sagt ja: Schönheit liegt im Auge des Betrachters, bei der Musik dann natürlich entsprechend im Ohr. Was zeichnet für euch schöne Musik aus? Und was wäre z.B. wirklich häßlich? Gibt es Sachen, wo ihr schon einmal dachtet: nee, das geht gar nicht.

Morris: Wir legen uns auf kein Genre fest. Ja klar, elektronisch sollte es sein, doch hat ein Track diesen unvergesslich dreckigen Sound, der uns sofort mitreißt, dann ist er bei “I’m Ugly” richtig. Ich höre täglich Sachen die gar nicht gehen. Überwiegend im Radio.
 
Christian: Letztendlich ist Musik immer eine subjektive Wahrnehmung, der eine mag es und der andere nicht. Meine Eltern haben mir früher immer angedroht mir den Strom abzudrehen, weil sie meine Musik einfach nicht mögen. Von daher will ich mir kein Urteil über schön und nicht schön erlauben. Wichtig für mich ist, dass die Musik, die wir veröffentlichen etwas aussergewöhnliches hat, etwas das man aktuell nicht so in den Charts hört. Man kann sich ruhig mal was trauen, wenn es im Gesamten ein rundes Bild abgibt. Es muss nicht immer “4 on the Floor” sein.
 
Ihr verwendet mit “I’m ugly” das Wort “häßlich” als Abgrenzung zum konventionell Schönen, also eher als ästhetische und nicht als (ab)wertende Kategorie. Es geht, angenehm subkulturell, gegen den Mainstream und um das Setzen eigener Werte und Wertvorstellungen. Woher rührt dieses Bedürfnis, und wie lange schlummert das schon in euch? Gab es ein bestimmtes Ereignis, einen bestimmten Moment, wo klar war, dass genau das jetzt euer Leitfaden sein wird?

Morris: Ja, ich kann mich an diesen Moment genau erinnern. René und ich saßen in einem Berliner Club auf einem Sofa. Die Musik war laut. Es war dunkel und wir philosophierten über ein Label und das damit verbundene Konzept. Irgendwer hat dieses eigenartige Bild von “Schön” erschaffen. Alle sieben die meist “wirkliche Schönheit” mit einem Filter heraus. Unsere Intention ist es umzudenken, vor allem in der Musikbranche. Herrgott, vieles ist so anspruchslos. Wir machen es anders, einfach “ugly” halt. Wie ein guter Kumpel sagt: „Egal wie dick das Label wird, immer schön roh, dreckig mit Herz. Straßenköter-Style. Ruff-Dirty-Heart“.

René: I‘m Ugly bringt zum Ausdruck, was viele schon vergessen haben: Sei real, so dreckig und merkwürdig du auch bist! Wir verbiegen uns nicht. Weder musikalisch, noch optisch oder geistig.

Christian: Ich denke in unserer glattgezogen Welt in der alles auf Hochglanz sein muss, in der kein Platz für Fehler ist, wird es immer wichtiger die menschlichen Note wieder mehr hervorzuheben. Im Musikalischen nennt man das Swing. Durch unsere modernen Techniken ist es heutzutage für jedermann möglich, schnell und „In the Box“ Musik zu produzieren. Leider folgt das sehr schnell einem Raster bzw. Grid und das macht Musik sehr statisch und auch ermüdend. Das war früher einfach nicht möglich, da ein Schlagzeuger einfach nicht immer auf den Punkt gespielt hat. Auch unsere berühmten Drummachines waren niemals perfekt.
 

Eure Pläne reichen über das Betreiben eines Labels hinaus, eine Veranstaltungsreihe namens “ugly Nights” und eine Podcast-Reihe namens "ugly Tape" erweitern das Feld. Gibt es eventuell auch noch weitere kreative Spielwiesen, die euch für euer Tun vorschweben?

 
René: Neben unseren Veranstaltungsnächten und "Ugly Tape" wird es auch noch "Ugly TV" und eine erlesene Modeline geben. Ja wir sprudeln über mit Ideen, können aber aus logistischen Gründen nicht alles sofort anpacken. Alles zu seiner Zeit.
 
Andreas Henneberg verleiht euren Produktionen mit seinem Mastering den letzten Schliff. Wie kam es zu diesem Arrangement, was verbindet ihn mit eurer Vision?
 
Christian: Richtig, Andreas macht für uns das komplette Mastering und sorgt für diese besondere „ugly“-Charakteristik. Er nimmt sich dafür soviel Zeit, bis Künstler und Label damit zufrieden sind.
 
René: Andreas ist ein sehr guter Freund des Hauses und ich kenne seine akribische Arbeit im Studio. Und da ich ein starkes und familiäres Team für unser Label haben wollte, war die Frage zur Kooperation unausweichlich. Wir liegen soundtechnisch und menschlich auf einer Wellenlänge und daher musste ich keine grosse Überzeugungsarbeit leisten :D

Labelheads _ by F&F Photography 

Mit KRAWALL aus Hamburg, DANIELLE ARIELLI aus Tel Aviv und dem mysteriös-maskierten Duo NOSleep habt ihr schon einen kleinen Artist-Stamm am Start, neben euch - also Morris Stegink, Christian Schorschinski als Synchronism und dir, René Bourgeois. Seid ihr noch offen für weitere Musiker, oder wollt ihr das Label in Zukunft eher familiär halten? Wie seid ihr auf eure ersten (externen) Label-Artists gestoßen?
 
René: Natürlich sind wir offen unsere Familie zu erweitern, wenn es musikalisch und menschlich passt. NOSleep schickte uns auch Demos und man hörte sicherlich noch in weiter Ferne unsere Kinnladen auf den Boden knallen. Danielle lernte ich über meinen guten Freund Dan Caster kennen und war sofort ergriffen von ihrem Talent und ihrer Persönlichkeit. Wichtig ist uns neben Talent und Menschlichkeit, die Identifikation zum Label, und das Gefühl haben wir bei jedem Einzelnen.
 
Morris: Krawall kenne ich jetzt schon seit mehreren Jahren. Wirklich einer der verrücktesten Typen, die mir je begegnet sind. Ich hab damals die Beatport Charts von Claude Vonstroke durchgehört und diesen mega dicken Track von Curry & Krawall (The Soul Condor) gehört. Ich hab ihn direkt für ein Open Air gebucht und wir haben uns quasi verliebt. Seine Musik ist genauso abgedreht wie er. Als die Idee mit dem Label aufkam, war mir direkt klar, dass er dabei sein muss.
 
Der Frühling steht vor der Tür, was ist bei euch so für den Sommer geplant? Worauf freut ihr euch in den kommenden Monaten?
 
Morris: Wir alle freuen uns in erster Linie auf den Label Start und die ersten fünf Veröffentlichungen und alles was danach kommt. Ich persönlich freue mich auf neue Musik und neue Künstler mit denen wir in der Zukunft zusammenarbeiten. Etwas eigenes wachsen zu sehen. Eine geile Zeit und ein tolles Gefühl!
 
In einem Jahr feiert ihr euren ersten Geburtstag. Worauf wollt ihr dann gern zurück schauen können, was sollte bis dahin erreicht sein?
 
Christian: Ich hoffe auf ein erfolgreiches Jahr, vor allem, dass unsere Künstler den Erfolg haben, den sie verdienen.
 
Morris: Konkrete Ziele haben wir uns nicht definiert. Wir wollen uns international platzieren und kein 0815 Label werden. Wir machen alles mit 110%iger Sorgfalt und suchen immer nach der Kirsche auf der Sahne.

iamugly.de

OutNow ► IAU001  Rene Bourgeois  Brainkill EP  beatport.com/release/brainkill-ep/2239946